Dienstbarkeiten
Dienstbarkeiten: ein faszinierendes und komplexes Thema im Immobilienrecht. Diese Rechte, wie Wegrechte, Nutzungsrechte oder Leitungsrechte, können erheblichen Einfluss auf die Nutzung und den Wert von Immobilien haben. Verschaffen Sie sich mit Hilfe unseres Beitrages einen Überblick. Gerne können Sie uns bei Fragen auch jederzeit kontaktieren.
Was sind Dienstbarkeiten?
Bei Dienstbarkeiten (Servituten) handelt es sich um beschränkte, dingliche Rechte an einer Sache[1]. Hierbei gilt es zwei Sach-Arten zu unterscheiden:
Unbewegliche Sachen (Grundstücke / Immobilien)
Bewegliche Sachen (Fahrnisse / Mobilien)
Bei Dienstbarkeiten handelt es sich fast ausschliesslich um Rechte an einem Grundstück. Einzig die Nutzniessung kann sowohl Grundstücke- als auch Fahrnisse betreffen.[2]
Dienstbarkeiten erlauben dem Berechtigten, eine Sache in bestimmter Weise nutzen und gebrauchen zu können (sogenanntes Dienstbar-Machen). Dem Eigentümer der Sache wird mittels Dienstbarkeit eine Duldungspflicht (positive Dienstbarkeit) oder eine Unterlassungspflicht (negative Dienstbarkeit) auferlegt, damit der Berechtigte sein Nutzungs- und Gebrauchsrecht ausüben kann.[3]
Der Eigentümer hat also entweder eine gewisse Nutzung zu dulden oder es zu unterlassen, etwas gegen die Nutzung zu unternehmen. Eine solche Nutzung kann in unterschiedlicher Weise gewährt werden. Beispielsweise fallen darunter Wegrechte, Baurechte, Bauverbote oder auch Wohnrechte.
Hat der Berechtigte beispielsweise ein Wegrecht auf einem Grundstück, muss der Grundeigentümer die Nutzung des Berechtigten über den Weg auf seinem Grundstück dulden.
Unterscheidungen, Arten
Innerhalb der Dienstbarkeiten wird zwischen zwei Arten unterschieden. Einerseits den Grunddienstbarkeiten und andererseits den Personaldienstbarkeiten:
Grunddienstbarkeiten (z.B. Wegrecht)
Grunddienstbarkeiten berechtigen ein Grundstück gegenüber einem anderen Grundstück.[4] Es bedarf daher zweier Grundstücke, wobei ein Grundstück (dienendes Grundstück) dem anderen Grundstück (herrschendes Grundstück) gewisse Rechte einräumt (Von diesen eingeräumten Rechten profitiert dadurch der Grundstückbesitzer des herrschenden Grundstückes). Hierbei kommen unter anderem Wegrechte, Überbaurechte, Grenzbaurechte und Leitungsrechte in Betracht.
Bsp: Wenn ein Grundstück kein Zugang zu Strom oder Wasser hat, darf der Eigentümer mit dem Leitungsrecht seine Leitungen unter- oder über dem Grundstück seines Nachbars ziehen. Dieses Recht soll dem Grundstück selbst eingeräumt werden und nicht nur gegenüber dem momentanen Eigentümer gelten (Strom braucht man auch bei Eigentümerwechsel des Nachbarsgrundstücks).
Personaldienstbarkeiten (z.B. Wohnrecht)
Die Personaldienstbarkeit ist – im Gegensatz zur Grunddienstbarkeit – nicht auf ein Grundstück, sondern auf eine beliebige Person als Begünstigte bezogen. Diese Begünstigung kann regulär sein, indem sie unmittelbar mit der Person verknüpft ist, wie beispielsweise ein Nutzniessungs- oder ein Wohnrecht.[5] Sie kann jedoch auch irregulär sein, indem sie dem Begünstigten ein übertragbares Recht vermittelt, wie beispielsweise Bau- oder auch Pflanzenrechte.[6] Eine irreguläre Dienstbarkeit kann weitervererbt oder übertragen werden; eine reguläre Personaldienstbarkeit ist unübertragbar und würde mit dem Tod des Berechtigten erlöschen.
Bsp: Die Gewährleistung eines lebenslangen Wohnrechtes der Mutter eines Grundbesitzers gilt lediglich für die Mutter und würde mit ihrem Tod erlöschen.
Legalservitute
Gewisse Dienstbarkeiten, auch Legalservituten genannt, sind von Gesetzes wegen einzuräumen.[7] Sie dienen dazu, einen allfälligen Nachteil zu korrigieren und mögliche Notlagen zu verhindern. Ein Legalservitut gilt jedoch nicht unmittelbar. Durch ein solches erhält der Berechtigte lediglich den Anspruch, die Dienstbarkeit selbst zu errichten. Sie gilt aber grundsätzlich erst mit der Eintragung ins Grundbuch.
Legalservitute werden nur gegen eine Entschädigung eingeräumt. Der Berechtigte muss also für dieses Recht eine Entschädigung leisten. Das Gesetz schreibt diesbezüglich von einer „angemessenen“ oder einer „vollen“ Entschädigung (je nach eingeräumtem Recht).[8]
Bsp: Es kann sein, dass ein Grundeigentümer ein anderes Grundstück überqueren muss, um an die nächstgelegene öffentliche Strasse zu gelangen. Somit ist diese Person darauf angewiesen, einen Durchgang zu erhalten. Art. 694 Abs. 1 ZGB ermöglicht als Legalservitut den Anspruch auf einen Notweg.
Errichtung von Dienstbarkeiten
Gemäß Art. 958 ZGB müssen Dienstbarkeiten in das Grundbuch eingetragen werden. Sie entstehen als dingliches Recht erst mit dieser Eintragung (Art. 971 ZGB). Üblicherweise wird zuvor ein Dienstbarkeitsvertrag zwischen den Parteien ausgehandelt, der bei Grunddienstbarkeiten gemäss Art. 732 Abs. 1 ZGB zusätzlich öffentlich beurkundet werden muss (also von einem Notar beglaubigt).
Um eine grundbuchliche Verfügung wie Eintragung, Änderung, Löschung durchsetzen zu können, muss sich der Gesuchsteller über seine Verfügungsberechtigung und den Rechtsgrund ausweisen können. Dies ergibt sich aus Art. 965 Abs. 1 ZGB.[9]
Die Eintragung ins Grundbuch bewirkt außerdem, dass die Dienstbarkeiten bestehen bleiben, bis sie formell gelöscht werden. Dadurch kommt es vor, dass sehr alte Dienstbarkeiten im Grundbuch verzeichnet sind, die durch geänderte tatsächliche Verhältnisse inzwischen sinnlos geworden sind, aber formal immer noch als Dienstbarkeit bestehen (zum Beispiel das Recht zur Nutzung eines seit vielen Jahren versickerten Brunnens).[10]
Durchsetzungsmöglichkeiten
Ein durch Dienstbarkeiten Begünstigter hat diverse Möglichkeiten, diese Dienstbarkeiten im Falle der Nicht-Gewährung, durchzusetzen:
Selbsthilfe (Art. 737 Abs. 1 ZGB)
Besitzesschutzklagen (Art. 926 ff. ZGB)
Rechtsschutz (Zusätzliche Möglichkeiten, abgeleitet aus Art. 737 Abs. 1 ZGB)
Feststellungsklage
Vindikationsklage
Actio confessoria (Abgeleitet von der eigentumsrechtlichen Negatorienklage)
Die Selbsthilfe nach Art. 737 Abs. 1 ZGB besagt, dass sich der Berechtigte sich (in engem Rahmen) selbst zu seinem Recht verhelfen kann. Das Recht zur Selbsthilfe darf jedoch nicht leichtfertig verübt werden (Art. 737 Abs. 2 ZGB), da die Selbsthilfe auch Rechte des Belasteten verletzen könnte.[11]
Bsp: Das Entfernen von Gegenständen durch einen Wegrechtsberechtigten auf einem Durchgang, um sein Recht auszuüben.
Besitzesschutzklagen ermöglichen den Schutz der eingeräumten Rechte durch Klage auf bestimmte Handlungen gegenüber jedem, der den Besitz durch verbotene Eigenmacht beeinträchtigt. Darunter gehört u.a. die Klage aus Besitzesstörung nach Art. 928 ZGB bei eigenmächtiger Entziehung des Belasteten.[12]
Bsp: Eine Nachbarin, welche ein Wegrecht erhalten hat, überschreitet dieses, indem sie jeweils durch den Garten, statt wie vereinbart um das Gebäude geht.
Zusätzlich bestehen noch die Möglichkeiten des Rechtsschutzes. Art. 737 Abs. 1 ZGB besagt, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte befugt ist, „alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist.“ Darunter gehören alle oben erwähnten Klagearten. Die Feststellungsklage zur Feststellung einer bestrittenen Dienstbarkeit. Diese ist jedoch subsidiär anzuwenden, wenn eine Leistungs- oder Gestaltungsklage nicht möglich ist.[13]
Bsp: Das Gericht stellt fest, dass eine bestrittene Dienstbarkeit so auch vorhanden ist und gewährt werden muss.
Die Vindikationsklage (abgeleitet durch die eigentumsrechtliche Vindikationsklage) bei völliger Hinderung an der Ausübung einer Dienstbarkeit. Nur eine Einschränkung genügt hierbei nicht.[14]
Bsp: Nutzniesser haben einen Herausgabeanspruch gegenüber allen, die ihnen die Nutzniessungsrechte vorenthalten.
Des Weiteren gilt die Möglichkeit der actio confessoria. Diese kann gegenüber jeder Person geltend gemacht werden, die die Ausübung einer Dienstbarkeit beeinträchtigt. Mit ihr wird das Ziel verfolgt, eine Störungshandlung zu beseitigen oder eine drohende zu verbieten.[15]
Bsp: Ein Nachbar kann mittels actio confessoria zur Unterlassung eines Bauvorhabens verpflichtet werden, wenn dessen Grundstück mit einer Baubeschränkung belastet ist.
Löschung der Dienstbarkeit
Dienstbarkeiten können durch Einigung oder hoheitlich aufgehoben oder geändert werden.[16] Hierzu bedarf es wie bei der Errichtung eine Eintragung in das Grundbuch zur Löschung. Gemäss Art. 964 Abs. 1 ZGB bedarf es zur Löschung eines Grundbucheintrages einer schriftlichen Erklärung der aus dem Eintrage berechtigten Person. Eine Erklärung der Urkundsperson genügt, sofern dies im Kantonalen Recht so vorgesehen ist. Solange dies nicht geschehen ist, gehen sie nicht unter und ein gutgläubiger Dritte könnte sich weiterhin darauf stützen.[17]
[1] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1200.
[2] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1210.
[3] Petitpierre, BSK, N 1 zu Art. 730 ZGB; Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1206.
[4] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1212.
[5] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1214.
[6] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1215.
[7] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1220.
[8] Siehe Art. 674, 691, 694, 710 ZGB.
[9] BGE 119 II 16 E. 2a S. 17.
[10] Hirschberg, Die Dienstbarkeiten: Die wichtigsten Unterschiede und wie Sie gefährliche Stolperfallen vermeiden, WEKA
[11] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1228 f.
[12] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1230 f.
[13] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1232 f.
[14] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1234.
[15] Schmid / Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 6. Aufl., 2022, Nr. 1235 f.
[16] Huser, Baubeschränkungen und Grundbuch, in: Baurecht, 2016, S. 200 K. 3.
[17] Huser, Baubeschränkungen und Grundbuch, in: Baurecht, 2016, S. 200 K. 3.